Fachkräftemangel, Burn Out und andere Personalthemen: Ursachen lösen statt Symptome bekämpfen
Viele deutsche Unternehmen leiden unter Fachkräftemangel. Hohe Krankheitsstände, Burnout – Fälle und geringe Mitarbeiterbindung – all das gehört zum Alltag in vielen Deutschen Unternehmen. Was den meisten Managern aber nicht bewusst ist: All das sind nur Symptome für tieferliegende Ursachen, von denen 5 hier näher betrachtet werden.
Dieser Blog wurde von Dörte Winkler verfasst.
1. Mitarbeiter sind keine Unternehmensressource
Der aus dem englisch/amerikanischen Raum stammende Begriff „Human Ressources“ spiegelt sehr klar wider, wie Unternehmen noch heute mit Mitarbeitern umgehen.
Sie werden als eine Ressource behandelt. Damit einher geht eine Art Bewertung, nach der Mitarbeiter anhand fester Qualitätskriterien ein Preisschild bekommen und entsprechend gekauft oder nicht gekauft werden.
Die Sache hat allerdings mehr als einen Haken.
Denn erstens sind immer weniger Menschen, insbesondere der jüngeren Generationen, bereit, diese Rolle einzunehmen. Sie kennen ihren Wert, und zwar nicht den „Marktwert“ wie bei einem Pferd oder Auto, sondern ihren tiefen, inneren Wert. Sie sind es sich wert, wirklich als Mensch behandelt zu werden – nicht als Ressource.
Zweitens ist bereits der Grundansatz falsch, bei dem vergessen wird, dass ein Unternehmen ein eigenes Bewusstsein entwickelt. Dieses Unternehmensbewusstsein setzt sich aus allen Mitarbeitern zusammen. Das heißt, es gibt nicht „Das Unternehmen“ und „Die Mitarbeiter“. Die Mitarbeiter bilden letztlich – zusammen mit allem anderen – das Unternehmen.
Solange Mitarbeiter als Ressource gehandelt werden, gibt es a) Ressourcenmangel und b) einen Unterschied zwischen Unternehmen und Mitarbeitern. Dann kann ein Mitarbeiter sich gar nicht wirklich als Teil des Ganzen fühlen. Er wird nicht eigenständig denken, nicht sein Bestes geben, nicht 100%ig hinter dem Unternehmenszweck stehen und auch keine Unternehmensbindung haben. Diese erreiche ich nur, wenn ich mich als Unternehmen erweitere und in dieser Ausdehnung neue Mitarbeiter aufnehme – und zwar als ganze Menschen, mit all ihren Fähigkeiten, ihren Stärken und auch den Schwächen. Wenn ich darauf achte, dass das Bewusstsein des Unternehmens mit dem des Menschen kompatibel ist. Das ist aber nicht einfach nur eine Qualitätsanalyse, sondern auch eine Schwingung, eine Energie – die zusammenpasst oder auch nicht. Erst wenn es wirklich passt, kann sich das Unternehmen mit all seinen Mitarbeitern wirklich entfalten.
2. Gewinn ist nicht nur eine Zahl
Gewinnorientierung ist die Basis unseres Wirtschaftssystems. Ganz klar. Vom Finanzamt bekommt ein Unternehmen sogar Ärger, wenn es seine Gewinnabsicht nicht irgendwann auch in Zahlen ausdrücken kann. Aber die Notwendigkeit eines rechnerischen Gewinns bedeutet nicht zwangsläufig, dass andere Dinge keine Rolle mehr spielen. Leider ist diese ganzheitliche Sicht auf den Gewinn immer mehr verloren gegangen. Das zeigt sich am Umgang mit den Mitarbeitern, bei denen das Wohlbefinden z.B. keine echte Rolle spielt, aber natürlich auch an gesellschaftlichen Themen wie Umweltverschmutzung u.ä.
Mitarbeiter spüren sehr genau, ob für ein Unternehmen nur die Zahlen gelten oder ob da mehr dahinter steckt. Dann stehen zwar viele tolle Regelungen auf dem Papier, aber in Wirklichkeit zählen die Wünsche des Mitarbeiters wenig – bleibt er eine Ressource, die es zu optimieren gilt. Wenn Gewinn ganzheitlich gesehen wird, dann gehört auch das Wohlbefinden jedes einzelnen Mitarbeiters – inklusive der Führungsebene – dazu. Damit sind wir bereits beim 3. Punkt:
3. Mitarbeiterzufriedenheit beginnt beim Chef
Damit meine ich nicht einfach, dass natürlich der Chef die Regeln für die Mitarbeiter aufstellt. Es geht darum, dass auch Manager häufig nicht wirklich auf sich und ihre Bedürfnisse achten, z.B. Bedürfnisse nach Ruhe oder Zeit mit der Familie. Stattdessen opfern sie sich für das Unternehmen und dessen Gewinn auf – und erwarten natürlich von ihren Mitarbeitern – bewusst oder unbewusst – das Gleiche.
Ein Vorgesetzter, der immer die Firma an erste Stelle setzt, wird nie aus tiefstem Herzen Verständnis für den Vater aufbringen, der seine Kinder aus dem Kindergarten abholen oder rechtzeitig zum Abendessen daheim sein will. Und solange das nicht der Fall ist, werden viele gutgemeinte Regeln zugunsten der Mitarbeiter nur Buchstaben auf Papier bleiben. Denn die Mitarbeiter spüren natürlich die dahinter liegende Erwartung des Chefs. Sie sehen sein Vorbild und wollen dem nacheifern. Das Ergebnis kann so mancher Chef dann am Krankenstand ablesen…
4. Die unsichtbaren Ebenen
Viele dieser Dinge, die ich hier gerade beschreibe, lassen sich nur gänzlich annehmen, wenn Sie bereit sind, einmal über die physische Welt hinaus zu blicken. Denn unsere Welt besteht nicht nur aus dem, was wir bewusst mit unseren 5 Sinnen wahrnehmen. Leider wird diese Tatsache in vielen Unternehmen einfach ignoriert. Damit entgeht den Unternehmen nicht nur ein riesiges Effizienzpotential, sondern auch eine wichtige Basis für zufriedene Mitarbeiter.
Stellen Sie sich diese Ebene wie ein riesiges, unsichtbares Informationsfeld vor. In diesem wird alles gespeichert und weitergleitet. Dazu gehört auch all das, was Sie über ihre Mitarbeiter denken. Jeder Frust der Mitarbeiter wird dort abgebildet und landet darüber sogar bei den Kunden. Ob Sie es ernst meinen mit der Mitarbeiterzufriedenheit oder nicht…. All diese Dinge. Es gibt Möglichkeiten, diese Ebenen wahrzunehmen (ganz ohne Räucherstäbchen und Hokuspokus) und sogar darzustellen. Dann wird es leichter, zu entdecken, wo ein Unternehmen wirklich ansetzen sollte, damit nicht nur bestehende Mitarbeiter zufriedener werden, sondern sich auch neue Mitarbeiter von dem Unternehmen angezogen fühlen. Denn dieses Informationsfeld ist wie ein riesiger Magnet mit 2 Polen – die eine Seite zieht an, die andere stößt ab.
5. Der 6. Kondratjeff Zyklus sucht Pioniere
Alles, was ich hier schreibe, sind Erfahrungen, Anregungen, Ideen aus meiner persönlichen Expertise, die aber nicht einfach aus der Luft gegriffen wurden. Sicherlich haben Sie schon einmal davon gehört, dass sich unsere Wirtschaft zyklisch in Wellen entwickelt – den Kondratieff Zyklen. Wenn wir uns auf die beginnende Industrialisierung beschränken, dann befinden wir uns zur Zeit im 6. Kondratieff Zyklus. Der 5. Zyklus wurde bereits Mitte des vorigen Jahrhunderts eingeläutet und ging zu Beginn dieses Jahrtausends zu Ende. Dieser Zyklus wurde durch die zunehmende Computerisierung und Digitalisierung bestimmt. Spannend ist nun, dass es im 6. Kondratieff Zyklus nicht ausschließlich um noch mehr technische Entwicklungen geht, sondern dass hier der Fokus auf der Ganzheitlichen Gesundheit liegt.
L.A. Nefiodow, einer der bekanntesten Vertreter der Theorien der langen Wellen analysiert, dass das größte Wachstumshemmnis in der Wirtschaft zu Beginn dieses Jahrtausends die Folge sozialer Unordnung ist (Korruption, Spekulation, Betrug, Umweltzerstörung etc.). Daraus folgert er, dass die größten Wachstumspotentiale für die Wirtschaft in der Reduktion dieser Unordnung liegen. Und dies erreicht man nur, wenn man sich von der Technik dem Menschen zuwendet. „Will man die Unordnung in den Griff bekommen, kommt man nicht daran vorbei, vorrangig in den Menschen zu investieren.“[1]
Weiter identifiziert Nefiodow 2 Hauptinnovationsbereiche für den Gesundheitssektor: Die Biotechnologie und die psychosoziale Gesundheit. Diese ist insbesondere von Bedeutung, um letztlich die gesamte Gesellschaft zur Gesundung zu bringen – also die soziale Unordnung und deren Folgekosten zu minimieren. Hierfür ist es notwendig, Ausgaben – auch in psychosoziale Gesundheit – als Investition zu betrachten.
Manager, die bereit sind, diesen Schritt zu gehen, tragen nicht nur zur Gesundung ihrer Mitarbeiter, sondern auch ihres eigenen Unternehmens und der Gesellschaft bei.
Fazit
Die Ursachen für viele Mitarbeiterthemen wie Krankheit, Unzufriedenheit und Fachkräftemangel liegen in einem Bereich, der heute viel zu wenig Beachtung in der Wirtschaft findet. Unternehmen können sich der Lösung annähern, wenn sie sich für diese Dinge öffnen und erkennen, dass Mitarbeiter keine Ressource sind, Gewinn mehr ist als eine schwarze Zahl in der Bilanz und dass es beim eigenen Wohlbefinden im Management beginnt.
Mehr dazu gibt es auch in meinem Buch: Mitarbeiterzufriedenheit – Erfolgreiche Unternehmen durch glückliche Mitarbeiter.