Wie Sie Ihren Vertrieb richtig steuern
Vorbei sind die Zeiten, in denen solide Produkte, eine ansprechende Werbekampagne und gezielte Rabatte genügten, um große Vertriebserfolge zu verbuchen. In den wettbewerbsintensiven Märkten von heute setzen Top-Unternehmen vielseitige Instrumente der Vertriebssteuerung ein.
Aber wie lassen sich Kunden noch gewinnen, binden und sogar zurückgewinnen? Frank Görgen, Professor für Marketing/Vertrieb an der Hochschule RheinMain, zeigt in diesem Artikel einige Ansätze auf.
1) Beginnen Sie erst mit Vertriebsaktivitäten, wenn Sie Ihre Kunden kennen!
Dies gilt gleichgültig, ob es sich um neue, bestehende oder verlorene Kundenbeziehungen handelt. Der Vertriebserfolg hängt entscheidend von treffenden Analysen ab. Unternehmen, die ihre Kunden richtig identifizieren und bewerten, sind im harten Wettbewerb klar im Vorteil. Sie passen ihren Vertriebsaufwand effizient dem Potenzial ihrer Kunden an, lernen durch Beschwerdeanalysen und analysieren Kundenabwanderungen zur systematischen Rückgewinnung. Informationstechnologische Lösungen im Vertrieb (so genannte CRM-Systeme) leisten dabei eine große Unterstützung – auch in klein- und mittelständischen Unternehmen.
2) Betrachten Sie Marketing und Vertrieb ganzheitlich!
Spektakuläre Fälle wie die kürzlich insolvent gewordene Baumarktkette Praktiker, die mit einer aggressiven Rabattpolitik scheiterten, sollten Führungskräften in Marketing und Vertrieb eine Lehre sein. Marke, Produktangebot, Preisgestaltung, Werbung und Vertriebssteuerung wirken ganzheitlich auf den Kunden. Größere Widersprüche und Fehltritte in einem dieser Bereiche bewirken meist starke Effizienzverluste für die anderen Managementfelder. Gelingt die Integration zu einem in sich stimmigen Marketing- und Vertriebskonzept sind trotz starker Konkurrenz auch heute noch große Erfolge möglich. Die jüngere Geschichte des Technologieunternehmens Apple zeigt dies eindrucksvoll.
3) Planen Sie den Aufbau von Kundenkontaktsystemen weitsichtig!
Instrumente wie E-Mail-Kontaktsysteme und das Beschwerdemanagement sind starke Waffen, wenn es um die Steigerung der Kundenzufriedenheit und Reputation des Unternehmens geht. Aber Aufbau und Einsatz solcher Instrumente sollten gut geplant sein. Können Kundenanfragen nicht in einem angemessenen Zeitraum mit den vorhandenen personellen und technischen Ressourcen bearbeitet werden, steigt nicht nur der Vertriebsaufwand, sondern auch die Zahl verärgerter Kunden. Dieses Schicksal ereilte zum Beispiel die Fluggesellschaft Air Berlin, die einen Bearbeitungsrückstand von über 60.000 Kundenanfragen bewältigen musste.
4) Schätzen Sie die Wirkung von Anreizsystemen realistisch ein!
Kennen Sie die Bedürfnisse ihrer Vertriebsmitarbeiter bzw. Vertriebspartner? Auch sie sind Kunden. Interne Kunden. Monetäre und nicht-monetäre Anreize können der Erfüllung von Unternehmenszielen förderlich, aber auch abträglich sein. Die Gestaltung eines effizienten Anreizsystems gehört zu den wichtigsten und schwierigsten Aufgaben der Vertriebssteuerung. Ein Anreizsystem sollte attraktiv, transparent, gerecht, glaubwürdig und ökonomisch sinnvoll sein. Viele Versicherungsunternehmen haben durch Fehlsteuerungen im Bereich der Anreizsysteme vor Jahrzehnten bis heute mit Imageproblemen zu kämpfen und gestalten Provisionsmodelle seit einigen Jahren sehr viel durchdachter. Nicht mehr nur der erste Abschluss, sondern auch die Kundenzufriedenheit und Kundenbindung fließen vielfach in Provisionsmodelle ein.
5) Unterschätzen Sie nicht die Wirkung weicher Faktoren!
Große Vertriebserfolge entstehen eher nicht durch Aufbau von Verkaufsdruck, zumindest nicht auf Dauer. Starke Hebel sind vor allem weiche Faktoren: Die Personalauswahl, durchdachte Schulungskonzepte und eine vorteilhafte Vertriebskultur. Auch hier sollten Vertriebspraktiker nicht alleine auf ihre Intuition vertrauen. Ein Unternehmen hat nur auf Dauer vertriebliche Erfolge, wenn es versteht, warum sich der Erfolg einstellt. Experten schreiben zum Beispiel den Erfolg der dm Drogeriemärkte in Deutschland, die sich gegen den Branchentrend sehr gut behaupten konnten, stark den weichen Faktoren zu.
6) Gestalten Sie den rechtlichen Rahmen fair!
Von der Vertragsgestaltung – beispielsweise von Handelsvertreterverträgen – hängt viel ab. Die Hersteller steuern so ihre wichtigsten Vertriebsziele. Sie fördern über Provisionssätze Absatz und Kundenbindung und sichern über Vertragsbindungen die Qualität im Kundenservice. Dennoch müssen sie ihren Vertriebspartnern einen angemessenen Entscheidungsspielraum bieten. Schon alleine wegen handelsrechtlicher Vorgaben, aber auch aus vertriebspolitischen Gründen. Viele Branchen sind durch bescheidene Wachstumsperspektiven, eine sinkende Kundenloyalität und einen hohen Kostendruck geprägt. So fällt der mit dem Verkauf eines Neuwagens erzielbare Gewinn für die meisten Hersteller heute sehr bescheiden aus. Der Schlüssel zum Vertriebserfolg liegt daher in der Steuerung der Vertragshändlersysteme, die über Serviceleistungen und Kundenbindung weitere Ertragsquellen erschließen können.
7) Gehen Sie mit der Zeit!
Kaum ein Bereich hat eine so zentrale Bedeutung für die wirtschaftliche Entwicklung eines Unternehmens wie der Vertrieb. Die Vertriebssteuerung kann ein Unternehmen in existenzielle Schwierigkeiten bringen, wenn sie Megatrends wie die demographische Entwicklung, das Internet, soziale Medien und künstliche Intelligenz nicht rechtzeitig aufgreift, das vorhandene Vertriebsmodell nicht überprüft und erforderlichenfalls verändert. Das Versandhaus Otto passte seine Vertriebsstrategie rechtzeitig an die Zeichen der Zeit an und bewegt heute über die Hälfte des Handelsumsatzes online. Der Rivale Quelle reagierte leider zu spät auf die Entwicklung. Gerade über Vertriebsinnovationen lässt sich sogar für lange Zeit ein Vorsprung gegenüber Wettbewerbern herausarbeiten. Bekannte Pionierunternehmen im Bereich von Vertriebsformen wie McDonalds (Franchising), Amazon (Online-Handel) oder Ebay (Internet-Auktionshaus) konnten ihre Marktposition ähnlich gut ausbauen und verteidigen wie große Produkt-Innovatoren.
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