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Computer der Natur

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Language :  German
Biologische Mechanismen der Informationsverarbeitung gelten als zuverlässig, anpassungsfähig und effizient. Sie beruhen größtenteils auf molekularen Interaktionen.
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Biologische Mechanismen der Informationsverarbeitung gelten als zuverlässig, anpassungsfähig und effizient. Sie beruhen größtenteils auf molekularen Interaktionen. Moleküle dienen hierbei als Speichermedium und übernehmen die Rolle des Datenträgers, auf dem feinabgestimmte biochemische Reaktionen operieren.

Aufbauend auf Grundlagen chemischer Reaktionen und kinetischen Gesetzmäßigkeiten ihres zeitlichen Ablaufs werden zahlreiche Beispiele chemischer Analog- und Digitalcomputer vorgestellt und leicht nachvollziehbar erklärt. Die Palette reicht dabei von biologischen Uhren als chemische Regelkreise über molekulare Arithmetik bis hin zu Zellsignalnetzwerken, die als endliche Automaten oder programmierbare Registermaschinen arbeiten. Zahlreiche Abbildungen veranschaulichen die einzelnen Molekularcomputermodelle. Das Lehrbuch gibt einen breiten Überblick über das Wissensgebiet und wendet sich gleichermaßen an Einsteiger wie Fortgeschrittene.

Über den Autor

Priv.-Doz. Dr.-Ing. habil. Thomas Hinze schloss 1997 das Studium der Informatik ab. Nach einer Industrietätigkeit als Software-Entwickler promovierte er 2002 über "Universelle Modelle und ausgewählte Algorithmen des DNA-Computing" an der Technischen Universität Dresden, gefördert durch ein Stipendium der Studienstiftung des Deutschen Volkes. Seine Forschungstätigkeit zu biologischen und biologisch inspirierten Mechanismen der Informationsverarbeitung setzte er an der Friedrich-Schiller-Universität Jena fort, zunächst als wissenschaftlicher Assistent, danach als Projektleiter im Fachbereich Bioinformatik. Mit der Habilitation zum Thema "Molecular Computing" erwarb er 2012 die Lehrbefugnis im Fach Informatik und ist nach mehreren Jahren Dozententätigkeit an der Brandenburgischen Technischen Universität in Cottbus wieder als Dozent und unabhängiger Forscher an die Friedrich-Schiller-Universität Jena zurückgekehrt, wo er die Arbeitsgruppe "Natural Computing" leitet. Seine Veröffentlichungsliste umfasst mehr als 70 Publikationen, darunter zwei Patente. International engagiert er sich im European Molecular Computing Consortium (EMCC) sowie in der International Membrane Computing Society (IMCS) und ist Mitherausgeber des beim Springer-Verlag erscheinenden Journal of Membrane Computing (JMC).

Biologische Mechanismen der Informationsverarbeitung gelten als zuverlässig, anpassungsfähig und effizient. Im Verlauf der Evolution herausgebildet, optimiert und bewährt, bergen sie eine Fülle interessanter Ideen, deren ingenieurtechnische Erschließung mannigfaltige Anwendungen verspricht, die die Informatik in vielerlei Hinsicht bereichern und weiterentwickeln können. Von selbstlernenden und -organisierenden Systemen über fehlertolerante Schwarmintelligenz bis hin zu selbstreparaturfähigen Hardwarekomponenten im molekularen Maßstab reicht die Palette der Einsatzszenarien. Während sich die Bionik vorwiegend der technischen Nachbildung von „Patenten der Natur“ widmet, konzentriert sich dieses Buch auf die Erschließung informationsverarbeitender Aspekte nach biologischem Vorbild. Computingkonzepte lebender Organismen möglichst vollständig zu verstehen, gehört zu den derzeitigen Forschungsaufgaben der Systembiologie, die vorwiegend durch experimentelle Beobachtung, Modellierung, Simulation und mathematische Analyse angegangen werden. Das Lehrbuch gibt einen Überblick über Facetten des Wissensgebietes und vermittelt eine ausgewogene Mischung zwischen theorie- und praxisorientierten Inhalten. Jedes der thematischen Kapitel schließt mit mehreren Übungsaufgaben, deren Lösungen als ergänzendes Material flankierend zum Buch bereitgestellt werden.

Chemische Computer nach dem Vorbild der Natur, bei denen organische Moleküle als Speichermedium dienen und Rechenoperationen durch geeignete molekularbiologische Prozesse und biochemische Reaktionen nachgebildet werden, mögen auf den ersten Blick abwegig erscheinen. Ihr Vorteil gegenüber konventioneller Rechentechnik liegt jedoch vor allem in der enormen Speicherkapazität und -dichte, der Miniaturisierung, der Biokompatibilität sowie in der massiv datenparallelen Verarbeitung, die hohe Rechengeschwindigkeiten erlaubt. Der Kenntnisstand in diesem jungen, von Anfang an interdisziplinär geprägten Wissensgebiet hat sich in den letzten Jahren vervielfacht. Die wachsende Zahl von Patenten und Fachbeiträgen sowie die beginnende Kommerzialisierung belegen die Bedeutung dieses innovativen Forschungsfeldes wie auch seine Verankerung in der Informatik und Biotechnologie. Der Leser erhält einen Einblick in unkonventionelle, molekulare Computingkonzepte aus dem Blickwinkel der Informatik und wird für die damit verbundenen Chancen wie auch Herausforderungen sensibilisiert. Die Auseinandersetzung mit ausgewählten Aspekten der Informationsverarbeitung lebender Organismen öffnet den Blick für vielschichtige Anwendungen an der Schnittstelle zwischen Informatik und den Wissenschaften des Lebens.

Das Buch wendet sich an mehrere Leserzielgruppen. Vordergründig soll es Ingenieure, Informatiker, naturwissenschaftlich-technisch Interessierte und Studierende verwandter Studiengänge ansprechen, die sich über unkonventionelle Computingkonzepte und massiv datenparalleles Rechnen auf biologischer Basis informieren möchten. Insbesondere lassen sich neueste Erkenntnisse über zeiteffiziente Algorithmen zur Lösung rechen- und speicherintensiver Aufgaben (NP-Probleme, kombinatorische Suchprobleme) vorteilhaft auf bereits vorhandene parallele Rechnerarchitekturen übertragen. Die dargestellten Ideen zur Algorithmenkonstruktion sind vielseitig nachnutzbar. Infolge der interdisziplinär ausgerichteten Thematik profitieren auch Bioinformatiker, Molekularbiologen und Genetiker von dem vermittelten Wissen. Ihr Interesse gilt vordergründig der praktischen Anwendung von Simulationen molekularbiologischer Prozesse mit dem Ziel einer kostengünstigen und effektiven Vorbereitung von Laborexperimenten. Das Verständnis des Buchinhaltes setzt keine Spezialkenntnisse voraus, alle benutzten Begriffe werden eingeführt und die dargelegten Sachverhalte leicht verständlich erklärt.

Grundlage des Buches bilden die Vorlesungen „Computing in vivo“, „Molecular Computing“ und „Molekulare Algorithmen“, die seit 2006 regelmäßig vom Autor an der Friedrich-Schiller-Universität Jena sowie zwischenzeitlich ebenfalls an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus gehalten und von Studierenden der Studiengänge Bioinformatik, Informatik sowie Informations- und Medientechnik gern besucht werden. Inhaltlich ähnlich gelagerte Lehrveranstaltungen werden inzwischen auch an einigen weiteren Universitäten und Hochschuleinrichtungen im deutschsprachigen Raum angeboten, vorwiegend im Hauptstudium oder im Rahmen von Masterkursen.

Mein inniger Dank gebührt meinen Teamkolleginnen und -kollegen in der interlokalen Arbeitsgruppe „Unconventional Computing“ an der Friedrich-Schiller-Universität Jena sowie an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus. In forschungsbegleitenden Seminaren, Workshops und weiterführenden Diskussionen reiften zahlreiche Ideen und Erkenntnisse, die Eingang in dieses Buch gefunden haben. Dafür möchte ich an dieser Stelle auch meinen Freunden und Mitstreitern aus den Fachgemeinden des European Molecular Computing Consortium und der Membrane Computing Community herzlich für die langjährige gute und konstruktive Zusammenarbeit danken. Nicht zuletzt gilt mein Dank den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Verlages Bookboon für die Anregungen und die weitreichende Unterstützung bei der Realisierung dieses Buchprojektes.

Allen Leserinnen und Lesern wünsche ich eine interessante Lektüre.

Thomas Hinze

Vorwort

  1. Chemisches Rechnen: Einführung und Motivation
  2. Grundlagen der Massenwirkungskinetik zur Beschreibung des Zeitverhaltens chemischer Reaktionen
    1. Systeme, Stoffe, Stoffkonzentrationen und Reaktionen
    2. Reaktionskinetik
    3. Übungsaufgaben
  3. Chemische Analogcomputermodelle
    1. Addition
    2. Nichtnegative Subtraktion
    3. Multiplikation
    4. Division
    5. Quadratwurzel
    6. Boolesche Operationen
    7. Diskussion der chemischen Arithmetik
    8. Tiefpassfilter
    9. Kaskadierter Integrator und Differentiator
    10. Brusselator zur Erzeugung spikeförmiger Oszillationen
    11. Repressilator zur Erzeugung nahezu sinusförmiger Oszillationen
    12. Goodwin-Modell als Prototyp steuerbarer chemischer Oszillatoren
    13. Chemischer Frequenzregelkreis nach dem Vorbild circadianer Uhren
    14. Binärer Signalseparator
    15. Diskussion chemischer Analogcomputermodelle
    16. Übungsaufgaben
  4. Chemische Digitalcomputermodelle
    1. Datenkodierung und logische Gatter
    2. Ungetaktete Flip-Flops
    3. Endliche Automaten am Beispiel eines binären Zählers modulo 17
    4. Chemische Registermaschine auf Basis der Massenwirkungskinetik
    5. Übungsaufgaben
  5. Literaturverzeichnis
  6. Endnotes
Interessante Denkanstöße! Guter interdisziplinärer Ansatz
Informativ, anschaulich und gut geschrieben. Mir war gar nicht bewusst, dass es rein chemische Informationsverarbeitung gibt, die sich durch die Brille der Informatik direkt erschließen lässt. Die Grundlagen und viele Beispiele sind motivierend und recht verständlich erklärt. Ein zusätzliches Kapitel, das mit Simulationssoftware vertraut macht, wäre noch ganz hilfreich. Insgesamt ein gelungenes Buch.
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Priv.-Doz. Dr.-Ing. habil. Thomas Hinze